Vor über zehn Jahren begann ich zu bloggen. Ich war Teil einer kleinen netten Gemeinschaft, die sich Gegenseitig bei alltäglich Leid und Freud unterstützte, woraus echte Freundschaften entstanden. Das Bewusstsein dafür, dass jeder mitlesen konnte und alles digital für immer irgendwo gespeichert wurde, fehlte mir noch. Zum Teil gab ich zu viel von mir Preis oder trat anderen auf den Schlips.
Daher 2009 der Cut und eine .net statt .de Domain, das Blog war immer noch mein persönliches Reich, aber ich achtete viel mehr darauf, worüber ich schrieb. Im Laufe der Zeit gab es auch im Großen eine Veränderung in der Blogosphäre. Ein Blog war nicht mehr länger nur ein persönliches Tagebuch, da wurde sich spezialisiert, gezeigt, was man konnte, wie kreativ man war, wie tolle Fotos man schießen konnte und Geld war damit plötzlich auch noch zu machen. Toll…oder?
Die Idee vom Bloggen leben zu können wuchs in mir als Wunsch, wurde fast übermäßig und hing wie ein ständiges Damoklesschwert über mir. Jetzt hast du es immer noch nicht geschafft. Ist der Artikel gut genug? Sollte ich nicht eine bessere Schreibe haben, besser fotografieren, interessanter, begabter, schlanker…sein?
Gleichzeitig durchlebte ich die ganze Bandbreite an Gefühlen, was andere Blogger anging. Erst war es Bewunderung, sehr schnell dann aber auch Neid. Wie gerne hätte ich mich nur mit so schönen Dingen beschäftigt und umgeben, so lecker gekocht und hübsch dekoriert, wäre zu diesem Blogger-Event, auf jene Messe gefahren oder hätte auch eine Reise gesponsort bekommen. Wie schämte ich mich, als ich den Blogging Your Way Workshop bei Holly Becker machte und als einzige nur eine 0815 kleine Digicam hatte, und keine Spiegelreflex wie die andere. Ich verglich mich und machte mich selbst nieder.
Das Bloggen der erfolgreichen Schreiberlinge hat sich in eine Scheinwelt verwandelt, denn in Wahrheit sitzen die Autoren stunden an ihren Artikeln, shooten hunderte Male, bis sie die perfekte Aufnahme haben, und arbeiten hart…denn das ist es, was Bloggen geworden ist: Arbeit. Was nach Leichtigkeit aussieht, als würde es in der Wohnung immer wie in der In-Zeitschrift aussehen, das Essen als käme es vom Sternekoch, ist eine Illusion, die für Webseite und Soziale Medien kreiert wird.
Mittlerweile bin ich nicht mehr neidisch. Ich begegne den Bloggern mit höchstem Respekt, denn ich muss ehrlich sagen: ich möchte das nicht tagtäglich machen. Wer nämlich rein vom Bloggen leben will, ist darauf angewiesen dafür bezahlt zu werden. Und das bedeutet gesponsorte Posts oder Berichte schreiben. Auch macht mir es als Leser nicht mehr besonders viel Spaß, wenn jeder zweite Post einer ist nach dem Motto „Ein Besuch in der XY Versuchsküche“, „Bastelideen aus Beton von Hersteller Bliblablupp“ und so weiter.
Was mir auch gealtig auf den Keks geht, ist die Leserfängerei mit reißerischen Überschriften. „Ich habe das neue ABC ausprobiert und du wirst nicht glauben, was dann passiert ist“, „10 Dinge, die du unbedingt beachten solltest, wenn…“ Damit möchte ich nicht generell Listen-Posts verurteilen, manche davon liebe ich. Wenn aber das ganze Blog aus nichts anderem mehr besteht, weil diese sich gut bei Pinterest machen, läuft doch was verkehrt. Wo bleibt der Mensch dahinter?
Übrigens ist all das nicht der Grund, warum ich hier so lange nichts geschrieben hatte. Das Universum meinte es gut mit mir und hat mir bisher ein Wahnsinnsjahr beschert, in dem ich so viele tolle Dinge erlebt habe, dass ich gar nicht mehr wusste, wo mir der Kopf stand. Aber dazu ein andermal mehr. Dennoch wollte ich reinen Tisch machen, bevor ich selbst wieder ins Bloggerleben einsteige. Bin ich doch so gerne Blogger.
Wieso habe ich mich nur selbst in ein Korsett gezwängt? Wie viele Artikel habe ich nicht geschrieben, weil ich dachte das passt nicht, ist nicht professionell genug oder trübt das Bild von shiny shiny Mina. Über wie viele Themen habe ich nicht geschrieben, obwohl sie mein Herz zum übersprudeln bringen vor Freude. Leute, ich sag’s euch: Mir ist wieder klar geworden was für ein Nerd ich doch bin und wie gerne
Für mich beginnt blogtechnisch eine neue Ära. Ich haue ab jetzt raus, was mir Spaß macht, ohne vorher nachzudenken, ob es in den Plan passt, einer der „großen Blogger“ zu werden. Wer mitlesen mag und sich von meinem täglichen und echten Leben inspiriert wird: gerne. Firmen und Agenturen? Euch muss ich nicht gefallen. Ich habe es schon immer so gehalten, dass ich nur Sponsored Posts zu Dingen geschrieben habe, die mich auch ansprechen. Das wird so bleiben, falls es sich ergibt, ich verbiege mich aber nicht mehr um auf Teufel komm raus zusätzliche Kooperationspartner zu gewinnen.
Auch wie und welche Blogs ich lese, wird sich in Zukunft ändern. Das Gefühl von Neid? Darauf habe ich keine Lust mehr. Deshalb habe ich heute meinen Feedreader radikal ausgemistet. Übrig sind 60 private Blogs, ein paar davon spezialisiert auf Häkeln und Bücher. Leider hatte ich vergessen, davor zu schauen, aber es waren ursprünglich mindestens doppelt so viele. 50% ständiger Input, der mich nicht wirklich interessierte und nur noch selten inspirierte. Nö nö.
So komme ich an an einem Punkt, an dem ich sagen kann: Ich mag so sein wie ich bin. Und mich nicht für einen „Traum“ verbiegen, der bei mir eher Bauchschmerzen auslöst als Glücksgefühle. (Damit bin ich übrigens nicht allein. Während ich an diesem Beitrag tüftelte, flatterte von Juli auf heimatPOTTential ein Post herein, in dem sie einen Blick hinter die Kulissen als Vollzeitblogger gewährt und den Beschluss erklärt, nicht mehr so weiter machen zu wollen)
Es gibt so viele Blogs da draußen, die immer noch gerne lese. Bei denen ich das Gefühl habe, den Autor jedes Mal Stück für Stück näher kennen zu lernen. Wenn Social Media nicht zum Zwang wird, kann das riesig Spaß machen und hat viele positive Nebeneffekte (siehe Saris Post von vor ein paar Tagen). Ich mische ab jetzt wieder mit, aber nach meinen eigenen Regeln.
Alles Liebe,